Esslingen: Projektbericht

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Die Demenzoffensive wurde im Zeitraum von Oktober 2010 bis Juli 2011 durchgeführt. In dieser Zeit wurden 68 Veranstaltungen von rund 30 Institutionen angeboten. 3700 Teilnehmer/innen nahmen an den Veranstaltungen teil. Das Spektrum der Veranstaltungen im Rahmen der Demenzoffensive beinhaltete Workshops, Vorträge, Kurse, Kulturveranstaltungen (Benefizkonzerte, Theateraufführungen, Lesungen u.a.), Informationsveranstaltungen, Gottesdienste, Gespräche, Filmvorführungen und zahlreichen Begegnungsangebote. Von allen o.g. Veranstaltungen wurden am meisten die Vorträge, Filmvorführungen und Kulturveranstaltungen besucht.
Weiterführende Informationen sowie eine Evaluation und Dokumentation sind online verfügbar.

 
Besonderheiten
Viele Besonderheiten zeichneten die Demenzoffensive Esslingen aus. 
1. Den engagierten Personen und Institutionen der Koordinierungsgruppe war gemeinsam eine starke Verankerung in der Stadt Esslingen. 
2. Bereits zu Beginn der Arbeitsphase der Koordinierungsgruppe wurde eine klare Zielformulierung zur Orientierung und anschließenden Reflexion getroffen. 
3. Die thematisch und methodisch intensive Vorbereitung der Treffen der Koordinierungsgruppe führte schnell zu konkreten Entwicklungsschritten und Maßnahmen. Darüber hinaus wurde die Öffentlichkeit durch eine intensive Pressearbeit kontinuierlich mit eingebunden und informiert. 
4. Bemerkenswert ist die starke Beteiligung von bürgerschaftlich Engagierten, die das Projekt nicht nur mit getragen, sondern mit ihrem Wirken Bürgernähe geschaffen haben. 
5. Besonders herauszuheben waren die Vielfalt der Angebote und Veranstaltungen,  ihre inhaltliche Ausrichtung, der gewählte Veranstaltungsrahmen und die angesprochenen Zielgruppen, ein Programmmix der aktive Beteiligung ebenso, wie informative Teilnahme ermöglichte.

Ziele
Die Verbreitung eines aufgeklärten und helfenden Bewusstseins sowie die Sensibilisierung der Bürger/innen gegenüber demenzerkrankten Personen in der privaten, persönlichen und öffentlichen Umgebung stand als  essentielles Ziel im Fokus.

Auswertung der Fragebögen
Insgesamt waren von 950 Fragebögen 914 auswertbar. In das Ergebnis der Auswertung flossen insgesamt 870 Fragebögen von Teilnehmer/innen und 44 Fragebögen von Veranstalter/innen ein.
 
Von den 44 Veranstalter/innen gaben 65 % an, hauptamtlich tätig und 35 % bürgerschaftlich engagiert zu sein.
 
Die jüngste Teilnehmerin war 11 Jahre alt, der älteste 95 Jahre. 
74 % der Befragten waren über 50 Jahre alt. 
Das Geschlecht der Teilnehmer/innen war überwiegend weiblich (73,1 %). 
Die Veranstaltungen wurden meist von deutschen Teilnehmern (94 %) besucht.. 
Die übergroße Mehrheit der Teilnehmer kam direkt aus Esslingen, jedoch wurden auch Bürger/innen aus benachbarten Städten wie Stuttgart, Kirchheim und Plochingen mit dem Angebot erreicht. 
42 % der Teilnehmer hatten die Informationen über die Offensive aus der Veranstaltungsbroschüre und 34,5 % der Besucher  aus der öffentlichen Presse. 14 % der Bürger/innen gaben an, dass sie die Information von Freunden, Bekannten oder Nachbarn haben. Damit zeigte sich, dass die Printmedien einen hohen Stellenwert bei der Verbreitung der Veranstaltungsinformationen eingenommen haben. 
Rund 50 % der Besucher wollten Informationen über Demenz. 60 %  begründeten ihre Teilnahme im Interesse am kulturellen Angebot. 46 % der Teilnehmer/innen suchten den Austausch mit anderen. 
Bei den offenen Fragen gaben die Besucher/innen weitere Gründe zum Besuch der Veranstaltungen an. Diese lagen in der aktuellen Betreuung und/ oder Begleitung eines Demenzerkrankten sowie auch in der Erweiterung der Kenntnisse (Umgang mit demenziell erkrankten Menschen u.a.). 
Auch benannten Besucher/innen das berufliche Interesse als auch die Teilnahme aufgrund eines bürgerschaftliches Engagements im Bereich der Demenzbetreuung.
 
Erwartungen und offene Themen der Teilnehmer/innen

Die Demenzoffensive konnte mit interessanten Vorträgen, Diskussionen, dem Kulturprogramm und dem Erfahrungsaustausch bei den Teilnehmern punkten. Die Distanz zu Betroffenen hat sich verringert und es konnte professionelles Wissen erworben werden. 
Jedoch blieben Themen und Fragen bei den Teilnehmer/innen offen. Diesen fehlten beispielsweise noch praktische Tipps im Umgang mit demenzkranken Menschen, aber auch Informationen zu einer gelungen Pflege zuhause. 
 
Wünsche der Veranstalter
Auch seitens der Veranstalter/innen wurden Wünsche bezüglich des Veranstaltungskonzepts geäußert. So sollten begonnene Projekte weitergeführt, Fortbildungen im Nachbarschaftsbereich angeboten, stärker Frühbetroffene einbezogen und mehr Möglichkeiten für einen Austausch geschaffen werden. 
 
Zukünftige inhaltliche Ausrichtung der Veranstaltungen

Betroffene und Angehörige
Als Anregung und Empfehlung für Betroffene und Angehörige sollten inhaltliche Angebote und Entlastungsangebote bei der Ankündigung zukünftiger Veranstaltungen benannt werden. Auch Fragen zum Umgang mit Rollenverlust, Überforderung, körperlicher und psychischer Belastung, negativen Gefühlen, Trauer, Verlust sowie Offenheit im Umgang mit der Krankheit sollten inhaltlich aufgegriffen und beantwortet werden. Informationen über Pflege- und Betreuungsmöglichkeiten, aber auch rechtliche und finanzielle Möglichkeiten bei einer Demenzerkrankung, sollten als inhaltliche Programmpunkte bedacht werden. Mehr Raum sollte für persönlichen Austausch eingeräumt werden, und es sollten auch Angebote geschaffen werden, bei denen sich Angehörige Fähigkeiten im Umgang mit der Krankheit Demenz erwerben können.
 
Professionelle
Da an diversen Angeboten der Demenzoffensive auch professionell agierende Personen teilgenommen haben, müssen für diese Gruppe spezifische Angebote geschaffen werden, die an medizinischem, pflegerischem und therapeutischem Fach- und Erfahrungswissen anknüpfen. Hierbei ist es von großer Bedeutung, die Bedarfe und Bedürfnisse, aber auch brisante Themen (z.B. herausforderndes Verhalten) zu kennen und aufzugreifen.
 
Bürgerschaftlich Engagierte
Als dritte Zielgruppe der Veranstaltungen können die bürgerschaftlich engagierten Personen genannt werden. Mögliche Fragestellungen und Themen können hierbei Ansatrz und Grenzen des Engagements, Aufgaben, Handlungsfelder, Qualifikation und Organisation des Ehrenamts sein. 
 
Pressearbeit
Die Pressearbeit trägt zum Gelingen einer Offensive oder Kampagne im erheblichen Maße bei. Sie muss früh einsetzen, darf auch zum Ende der Offensive nicht nachlassen und sollte zentral koordiniert und dokumentiert werden. Die Nutzung vielfältiger Medien trägt dazu bei, mehr Menschen zu erreichen. Neben der Information zu einer Veranstaltung sollte das jeweilige Thema in seiner Tiefe erläutert und auch die Perspektive des Betroffenen dargestellt werden, um die potenziellen Sorge und Ängste vieler Betroffener besser zu illustrieren und damit anzusprechen.
 
Politisch und kommunale Verankerung der Demenzoffensive
Die hohe Identifikation der Mitwirkenden mit der Stadt Esslingen motivierte alle Beteiligten diese Krankheit als  gesellschaftliche Herausforderung anzunehmen. Besonders förderlich für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit war die Bekanntheit, Neutralität und die langjährige Erfahrung der Hauptverantwortlichen. Die steuernde und moderierende Rolle durch die Stadt beförderte eine Kooperation und Vernetzung der unterschiedlichsten Akteure. Die Nutzung bestehender Ressourcen und Netzwerke gab Planungssicherheit und trägt nun zur  Nachhaltigkeit der Offensive bei. Die Verankerung einer derartigen Offensive bei der Stadt ermöglichte eine Allparteilichkeit und Neutralität mit großer Bedeutung für Mitwirkende und Veranstalter/innen und war maßgeblich für die hohe Akzeptanz. 
Fazit: Für das Gelingen eines derartig komplexen Vorhabens trägt der Rückgriff auf kommunale Strukturen wesentlich bei.
 
Was bleibt? Esslingen denkt weiter!
Esslingen ist bereits sehr gut auf das Thema „Altern“ eingestellt. Jedoch werden heute noch bestehende Strukturen durch personelle Wechsel oder Änderung der sozialgesetzlichen Rahmenbedingungen wegbrechen oder sich verändern. Zur Sicherung und weiterem Ausbau der Lebensbedingungen für Ältere sind daher nicht nur die Politik, die Kostenträger und die Leistungserbringer gefragt, sondern auch die Bürgerschaft selbst. Deshalb sollte an das Verantwortungsbewusstsein der Bürger/innen appelliert werden, damit sie sich nach ihren individuellen Fähigkeiten und Möglichkeiten ehrenamtlich engagieren. Zukünftige Aktivitäten sollten möglichst viele Personen (gruppen) ansprechen und sollten daher generationsübergreifend, migrationssensibel, integrativ und teilhabeorientiert sein. Zusätzlich sollte darauf geachtet werden, nicht nur einzelne Veranstaltungen anzubieten, sondern ein langfristiges Programm, das auf die Wünsche und Bedarfe der Bürger/innen abgestimmt ist. Dieses sollte koordiniert und immer wieder nachgesteuert sowie politisch gewollt, politisch vermittelt und politisch unterstützt werden. Bürgerschaftliches Engagement wird auch hier zum unverzichtbaren Leistungsfaktor.